KvB 09. September 2018 oder Gejammer

Ganz ehrlich? Bücher schreiben kann schön sein, berauschend, wundervoll und großartig. Bücher schreiben kann schrecklich sein, deprimierend, nervig, deprimierend und frustrierend. Man kann sich monatelang mit einem Projekt wohlfühlen, oder man kann monatelang an einem Projekt herumknabbern, und einfach keine Freude am Schreiben finden. Oder man kann zwischen diesen beiden Extremen oszillieren, mehrmals die Woche, mehrmals am Tag, mehrmals in der Stunde.

KvB ist mein Lieblingsprojekt, es soll großartig werden, und ich hasse KvB, wie ich sonst nur „Die Rose von Huwelreich“ gehasst habe. Manchmal liebe ich KvB, ich bin zufrieden, ich baue Zitate ein und habe einen Heidenspaß dabei – und dann ist wieder alles miserabel, jeder Satz ist ein Klischee, alles war schon mal da, das Buch hat keine Tiefe, es ist zu weit entfernt von seinem Original, die Zielgruppe wird toben, es ist zu doof, es gibt zu viele Kampfszenen, es gibt zu wenig Frauen, und so weiter. Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich nicht schreibe – und wenn ich schreibe, habe ich ein schlechtes Gewissen, weil es nicht gut ist, was ich schreibe. Zu KvBs Ausgangsstoff gibt es schon unzählige Bearbeitungen – ständig vergleiche ich mein Projekt mit diesen, und ständig verliert meines im Vergleich. Bis auf die Begrüßungszeremonien, die Politik und das Hofwesen. (Na, kein Wunder, zu irgendwas müssen wir altmodischen Geister ja auch nutze sein.)
In der „Rose von Huwelreich“ habe ich die Hauptfigur gehasst; in KvB finde ich die Hauptfiguren toll, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich sie so darstelle, wie es „richtig“ ist. Die Figuren der Huwelreich-Bücher sind erfunden, sind Eigenschöpfungen von mir, da muss ich nicht grübeln, was richtig ist und was nicht. Glaubwürdig müssen sie sein und in sich stimmig – aber über „richtig“ und „falsch“ bestimme ich als die Urheberin dieser fiktiven Figuren.

Bei KvB jedoch habe ich bereits bestehende Vorbilder für das halbe Personal, es gibt unzählige Interpretationen dieses Stoffes, die sich widersprechen, ergänzen oder zueinanderpassen. Auch ich werde nur eine weitere Interpretation liefern, nichts weiter, für viele wird sie falsch sein, für andere vielleicht ganz ansprechend – aber trotzdem grüble ich und grüble und habe jetzt schon ein schlechtes Gewissen, wenn ich zukünftige Leser enttäuschen werde.

Deshalb schreibe ich alternative historische Romane und keine „herkömmlichen“ historischen Romane. Ich hätte ständig Angst, die historischen Persönlichkeiten falsch darzustellen; und da ich daran glaube, dass die alle von da oben zu uns herabsehen, würde ich dauernd befürchten, dass nun Kaiser und Päpste und Kanzler sich da oben ärgern wie noch nie, weil ich total an ihrem Charakter vorbeischreibe. (Und wer ärgerte sich noch? Die Leute, die sich mit Geschichte auskennen! Geht mir selber ja oft auch so.)
Nach KvB werde ich zurückgehen in die Huwelreich-Welt. Dort fühle ich mich wohler und nicht so unter Druck.

Vielleicht ist das schon eine halbe Schreibblockade, ich weiß nicht. Früher war ich ständig im Flow beim Schreiben, heutzutage bin ich vielleicht ein Viertel der Zeit wirklich glücklich während des Schreibens. Die anderen drei Viertel kämpfe ich mich voran, ärgere mich über meinen geringen Wortschatz und meine lahmen Metaphern und überhaupt und sowieso. (Während des Mini-9-Tage-Projekts war übrigens alles super und spaßig und wunderbar. Ich glaube, es liegt eigentlich an den Büchern.)
Vor drei Tagen habe ich die bisher geschriebenen Szenen von KvB durchgelesen. Schön, Begeisterung, ich war zufrieden, die Hauptfigur ist niedlicher, als ich es geplant habe, ich habe mich gefreut und konnte es kaum erwarten, es als Buch in der Hand zu halten. – Jetzt? Deprimiert, alles doof, Blabla.

Und wenn jemand meine Bücher kauft, freue ich mich dann, wie man das von Autoren erwarten dürfte? Nein, ich nicht! Ich mache mir Sorgen, dass es der Leserin nicht gefallen wird, dass sie es blöd findet, und außerdem habe ich ein schlechtes Gewissen, dass sie wegen mir Geld ausgegeben und Zeit vergeudet hat für etwas, das ihr nicht gefällt. Aber nicht dass ihr meint, ich werfe Bücher auf den Markt, von denen ich denke, dass sie von schlechter Qualität sind. Ich versuche immer, mein Bestes zu geben, und veröffentliche meine Bücher nur, wenn ich der Meinung bin, jetzt sind sie gut. Nur dass sich diese Ansicht fünftausendmal im Monat ändert. Heute habe ich ein wenig in „Dietrich von Bern“ gelesen und habe mich amüsiert. Gestern fand ich alle meine Bücher schrecklich. Vorher habe ich die Anfangsszene von KvB gelesen und fand sie toll. Oder auch nicht, es ändert sich alle zwei Minuten. Mal sind meine Bücher Solala, dann sind sie doch ganz schön, dann schrecklich peinlich, dann komme ich in eine versöhnliche Stimmung und denke: „Nichts ist perfekt außer meinen Schwarzköpfchen und Götterdämmerung, Fehler machen wir alle“, und es geht wieder von vorne los.
Eigentlich sollte ich im Lotto gewinnen, und dann könnte ich alle meine Bücher kostenlos anbieten, damit die Leser im Falle der Enttäuschung wenigstens nicht noch Geld ausgegeben haben. – Könnte man ein ähnliches Modell bei Opernhäusern einführen? Wenn einem die Inszenierung nicht gefallen hat, Geld zurück? Ich wüsste da jemanden, der das einführen könnte.

Vor ein paar Tagen schrieb ich ein paar Szenen aus der Sicht eines Tyrannen: Alles super, cool, schnell, juhu! Hat total Spaß gemacht, ich war so produktiv wie schon lange nicht mehr, wie schade, dass dieser Tyrann uns demnächst verlassen wird! – Jetzt schreibe ich wieder aus der Sicht von KvB, Jammerlappen vom Dienst: Alles grauenvoll. Ich wünschte, irgendwann machte es „Knall“ und ich wäre wieder zurück in der Phase, in der das Schreiben nur Freude bereitet, wie damals bei „Der Kaiser von Huwelreich“ und noch früher. Oh, und jetzt komme ich wieder in gute Stimmung am Ende dieses Blogartikels. Wahnsinn.