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Majestät und wie man Ihn anreden soll

Dass ein Kaiser oder König mit „Majestät“ angeredet wurde, ist allgemein bekannt. Aber dann geht es schon los: Sagte man: „Majestät, Sie sehen heute sehr schön aus?“ oder „Majestät, Ihr seht heute sehr schön aus?“ oder „Euer Majestät sehen schön aus“ oder oder oder?
Und wie ist es mit der Anrede in Briefen? Konnte ein Kanzler seinem Kaiser nach einer respektvollen Anrede einfach schreiben: „Majestät, tausendmal habe ich Ihnen schon gesagt, dass Sie nicht auf die Einflüsterungen Ihrer allerhöchsten Gattin hören sollen, die hat doch keine Ahnung von Politik!“ Oder müsste man schwerfällig schreiben: „Majestät, tausendmal habe ich Eurer Majestät schon gesagt, dass Euer Majestät nicht auf die Einflüsterungen Ihrer Majestät hören sollen, Ihre Majestät haben doch keine Ahnung von Politik!“?

Singular? Plural? „Sie“ oder immer „Euer Majestät“?

Tatsächlich hing es vom Kontext ab und von der Art der Kommunikation, wie man den Kaiser anzureden hatte. Schauen wir es uns genauer an mit Beispielen aus dem 19. Jahrhundert!

Wenn man dem Kaiser schreibt

In Briefen an den Kaiser/König wurde niemals „Sie“ verwendet. Jedes „Sie“ wurde durch „Eure Majestät“ oder eine ähnlich ehrfürchtige Formulierung ersetzt. Die Pluralform wurde beibehalten.

Lassen wir die Zeitgenossen zu Wort kommen:

Bismarck an König Wilhelm, 24. Dezember 1864

„Ew. Majestät
sage ich meinen ehrfurchtsvollen und wärmsten Dank dafür, daß Allerhöchstdieselben meiner heut in Gnaden gedacht haben. Möge Gott mir soviel Kraft geben, als ich guten Willen habe, den Stab, dessen Symbol Ew. Majestät mir als ein lebenslänglich theures Andenken heut schenkten, nach Allerhöchst Ihrem Willen zum Heile unsers Vaterlandes zu führen.

In tiefster Ehrfurcht und unwandelbarer Treue ersterbe ich
Ew. Majestät
allerunterthänigster
v. Bismarck“

Man beachte die Grußzeile! Ein lahmes „Mit freundlichen Grüßen“ reicht für einen König nicht aus!

(Wilhelm hatte ihm am selben Tag geschrieben: „Ich sende Ihnen gerade diesen Stock, damit Sie sich beim Anblick dieses Kranzes stets erinnern, daß Sie es gewesen, welcher diese Lorbeeren gepflanzt hat …“)

Bismarck an König Wilhelm, 18. Dezember 1864

„Ew. Majestät
melde ich allerunterthänigst, daß ich dem Feldmarschall Allerhöchstdero Befehle mündlich mitgetheilt habe. Derselbe forderte mich dabei auf, bei Ew. Majestät die Frage einer Amnestie in Anregung zu bringen. …“

Wie man sieht: Während der Untertan verpflichtet war, mit Formulierungen wie Allerhöchstdero etc. die Verwendung der Pronomen zu umschiffen, durfte der Monarch ihn einfach mit „Sie“ anschreiben. Der Kaiser brauchte nicht einmal die üblichen Anreden seiner Untertanen (Exzellenz, Erlaucht, Durchlaucht etc.) verwenden. Wilhelm schrieb später an Bismarck immer freundlich: „Mein lieber Fürst!“

Wenn man mit dem Kaiser spricht

Der Kaiser musste nicht ständig mit „Eure Majestät“ angeredet werden; die Verwendung von „Sie“ in Verbindung mit einem gelegentlichen „Majestät“ war durchaus geläufig. Das galt für Diener genauso wie für hochrangige Politiker.

Das bekannte Gespräch zwischen Wilhelm I. und Bismarck nach der „Eisen-und-Blut-Rede“ im Jahre 1862 soll das verdeutlichen:
Wilhelm: „Ich sehe ganz genau voraus, wie das alles endigen wird. Da vor dem Opernplatz, unter meinen Fenstern, wird man Ihnen den Kopf abschlagen und etwas später mir.“
Bismarck (der die Anspielung an Louis XVI. natürlich verstanden hatte): „Et après, Sire?“
Wilhelm: „Ja, après, dann sind wir tot!“
Bismarck: „Ja, dann sind wir tot, aber sterben müssen wir früher oder später doch, und können wir anständiger umkommen? Ich selbst im Kampfe für die Sache meines Königs, und Ew. Majestät, indem Sie Ihre königlichen Rechte von Gottes Gnaden mit dem eignen Blute besiegeln …“

Wenn offizielle Organe/staatliche Amtsträger über den Kaiser sprechen/schreiben

Der Hof und die Ministerien mussten ihrem Herrscher Respekt zollen; das schlug sich auch in der Formulierung entsprechender Schriftstücke und Reden nieder. In offiziellen Dokumenten oder Verlautbarungen schrieb man „Seine Majestät“ in Verbindung mit der Pluralform des Verbs. In Reden wurde auch die Singularform verwendet. Das Pronomen wird immer großgeschrieben. (Das galt auch, wenn Angehörige der Herrscherfamilie über den Herrscher schrieben.)

Ein Bulletin, am Berliner Palais ausgehängt am 8. März 1888 über den Gesundheitszustand von Wilhelm I., hatte den Text:
„Der Schwächezustand Sr. Majestät des Kaisers dauert fort. Se. Majestät nehmen ab und zu etwas Wein und flüssige Nahrung zu sich. Im Ganzen ist der Zustand ruhiger.“

Die Bekanntmachung des Staatsministeriums über den Tod von Kaiser Wilhelm I. am 9. März 1888 lautete:
„Es hat Gott gefallen, Seine Majestät den Kaiser und König, unseren Allergnädigsten Herrn, nach kurzem Krankenlager heute Vormittags 8 1/2 Uhr im achtundzwanzigsten Jahre Seiner reichgesegneten Regierung aus dieser Zeitlichkeit abzurufen. Mit dem königlichen Hause betrauert unser gesamtes Volk den Hintritt des allgeliebten ehrwürdigen Herrschers, dessen Weisheit so lange über seinen Geschicken in Krieg und Frieden ruhmreich gewaltet hat.“

In Reden vor dem Parlament verwendete man zumeist die Formulierung „Seine Majestät der König“. Das galt auch für verstorbene Könige. So sagte Bismarck in seiner Reichstagsrede vom 6. Februar 1888 über Friedrich Wilhelm IV. und seine Haltung zum Krimkrieg: „Se. Majestät der hochselige König hatte keine Neigung (…) mit einer starken Truppenaufstellung eine entscheidende Rolle in dem Kriege zu spielen.“
Fremdländische Herrscher nannte er „Kaiser/König + Vorname“ bzw. „von Russland/von Österreich/o. Ä.“

Gesandtenernennungen etc. begannen mit: „Seine Majestät der König von Preußen haben Allergnädigst geruht, …“

Preußische Gesetze begannen mit: „Wir Friedrich Wilhelm/Wilhelm/Friedrich, von Gottes Gnaden König von Preußen etc. verordnen, dass …“

Wenn man informell über den Kaiser spricht/schreibt

Schrieben Staatsdiener privat Briefe über den Kaiser, verwendeten sie entweder die Formulierung „Seine Majestät“ in Verbindung mit der Singularform (nicht der Pluralform wie in offiziellen Schriftstücken): „Seine Majestät war heute sehr schlecht gelaunt/Seine Majestät hat heute schon wieder ein neues Schiff eingeweiht, und er sagte, Er habe Sich dabei sehr gut gefühlt, denn Er liebe Seine wachsende Flotte …“ oder sie schrieben einfach „der Kaiser“ etc.

Bismarck bezeichnet Wilhelm in „Gedanken und Erinnerungen“ meist als „der König/der Kaiser“.

Wenn man über den Kaiser schimpfen möchte, und sich sicher ist, dass keine Monarchisten in Hörweite sind, die einen verpetzen könnten

Man braucht keine Rücksicht zu nehmen auf die korrekten Formulierungen. Die Monarchisten wären jedoch nicht erfreut!

Zusatzinfo: Wenn man der Bruder des Herrschers ist

Kronprinz Wilhelm von Preußen, der nachmalige König Wilhelm I. von Preußen und Kaiser Wilhelm I., schrieb über seinen Bruder, den damaligen König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen: „Seine Majestät, mein Allergnädigster Bruder“.

Frauen

Für Frauen galten dieselben Regeln, nur dass statt „Seine“ „Ihre“ verwendet wurde.

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