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Ich war Papagei des Kaisers

Die Lebenserinnerungen des Schwarzköpfchens von Kaiser Johann

Ein aarenländischer Bestseller

An dieser Stelle möchte ich euch ein Buch vorstellen, das seinerzeit sogar den aarenländischen Bestseller „Gedanken und Erinnerungen und Rücktrittsgesuche“ von Kanzler Fidelius von Eisenbiss vom ersten Platz der Bestsellerlisten gestoßen hat.

In „Ich war Papagei des Kaisers“ schildert Schwarzköpfchen Friedrich der Schöne seine Erlebnisse am aarenländischen Kaiserhof. Als Obersthofpapagei residierte er in einem prächtigen Vogelbauer im kaiserlichen Wohnzimmer. Immer wieder durfte er auch anderen Räumen einen Besuch abstatten. Er war Teilnehmer an der großen Antrocuna-Konferenz und Augenzeuge so manchen Streitgesprächs zwischen Kaiser und Kanzler. Es heißt, seine enthusiastischen Zwischenrufe hätten maßgeblich zur raschen Einigung beim Donnerhaller Kongress beigetragen (angeblich habe der isolanische Premier sogar ausgerufen: „Ich sage Ja zu allem, wenn ich nur endlich diesem schreienden Vogel entkomme!“).

Weniger bekannt ist Friedrichs Beitrag zur Einführung der ikonischen Adlerhelme des Garderegiments: Tatsächlich hat für den auf dem Helm thronenden Adler eben kein mächtiger Raubvogel Modell gestanden, sondern Friedrich! Nur er war im Stande, in seiner Pose Grazie, Anmut und Glorie zu vereinen, wie man es von einem Wappentier erwartet. Erst im Nachhinein versah der Bildhauer die Skulptur mit den typischen Merkmalen eines Adlers. Als man zur Enthüllung des ersten neuen Adlerhelms auch Friedrich und seine Gattin Elisabeth einlud, erschreckten sich beide so sehr an der Skulptur, dass sie sich in eine Käfigecke flüchteten und sich erst wieder beruhigten, als man sie in ein anderes Zimmer trug.

Auch Friedrichs technischen und ballistischen Forschungen ist ein ganzes Kapitel seiner Autobiographie gewidmet. Er berechnete mit Vorliebe Flugkurven von Körnern und stellte Studien zur Schwerkraft an. Wie alle flugfähigen Vögel war das Konzept des Fallens und anschließenden Liegenbleibens von Gegenständen für ihn ein Buch mit sieben Siegeln. Um es mit seinen Worten zu sagen: „Warum fliegt die Wasserschüssel nicht einfach wieder hoch, nachdem ich sie heruntergeworfen habe?“ Nach zehnjähriger Forschung kam er zum Schluss, dass manche Dinge, wie z. B. Beeren, Körnerschalen und Zweigstücke, zu faul zum Fliegen sind, Schüsseln dagegen verlässlich von Dienern oder gar dem Kaiser persönlich wieder aufgehoben und an ihren angestammten Platz gehängt werden. Seine bahnbrechenden Erkenntnisse werden wohl noch viele Vogelgenerationen lang ihre Gültigkeit behalten, und wenn in zweihundert Jahren die Vögel die Schwerkraft entdecken und als Resultat dessen die Weltherrschaft übernehmen, wird man stets daran erinnern, dass es Friedrich gewesen ist, der diese mächtigen Veränderungen ermöglicht hat! (Denn dass eine Weltherrschaft der Unzertrennlichen, zu englisch/isolanisch „Lovebirds“, nur Segen und Liebe bringen wird, ist selbstverständlich.)

Legendär war auch Friedrichs Musikgeschmack. Er und seine Gattin Elisabeth waren, ganz wie es sich für Hofwürdenträger gehört, stets höfliche Zuhörer bei jeder musikalischen Darbietung. Absolut begeistert waren sie jedoch von Triangeln und pfeifenden Dienstmädchen. Dann sangen sie aus voller Kehle mit und scheuten keinerlei Dissonanz. (Man munkelt, die huwelreichische Kaiserin Valerie habe sich bei einem Besuch am Donnerhaller Hof wegen der musizierenden Obersthofpapageien einen Tinnitus geholt. Aber Johann konterte einen derartigen Vorwurf des huwelreichischen Gesandten lapidar mit: „Die Valerie bekommt sogar von fallenden Schneeflocken einen Hörsturz!“)

Auch mit bedeutenden Regierungsaufgaben wurde das Obersthofpapageienpärchen betraut, so übergab Johann ihnen die Aufgabe, wichtige Dokumente, die in keine anderen Hände gelangen durften, zu  entsorgen. Federführend war hierbei Papageiin Elisabeth, die mit vorbildhafter Hingabe alle Dokumente zernagte. Eisenbiss schlug Johann einmal vor, er solle die Dokumente doch lieber verbrennen statt sie zerreißen zu lassen, aber Johann erwiderte, seine Vögel seien völlig vertrauenswürdig, und außerdem könnten sie weder sprechen noch lesen, also bleibe alles streng geheim.
„Und was ist mit den Bediensteten, die den Käfig säubern?“, fragte Eisenbiss. „Die könnten doch die Schnipsel aus Sand und Körnerschalen extrahieren, wieder zusammensetzen und an unsere Nachbarländer weiterleiten.“
„Ach“, sagte Johann, „das fürchte ich nicht. In diesem Käfigboden wühlt keiner herum, und wäre er ein noch so zäher Spitzel!“

Jeden Abend verabschiedete sich Johann von seinen Vögeln und gab ihnen noch jeweils einen Sonnenblumenkern. Dabei sagte er immer: „Gell, ihr zwei, ihr bleibt mir noch lange erhalten!“ Die Schwarzköpfchen haben immer dazu genickt.

Gemeinsam mit der Schriftstellerin Juliana Loca hat Friedrich seine Erinnerungen festgehalten. Da er nicht schreiben kann, konnten keine signierten Exemplare verkauft werden. Stattdessen hatten Leser die Möglichkeit, eines von tausend Exemplaren mit einer echten Feder von Friedrich oder Elisabeth zu erwerben. Beide haben täglich dafür Federn gespendet. Der Erlös aus dem Verkauf der gefiederten Bücher ging an den Verein zur Förderung glücklicher Tiere.

Von der Presse wurde das Buch einstimmig gefeiert. Der Donnerhaller Heerrufer erklärte das Buch „zum bedeutendsten Zeitdokument unserer Generation“, die Gutensaater Spatzenpost schrieb „dieses Buch wird noch in zweihundert Jahren von Historikern herangezogen werden“ und der sozialistische Auf geht’s jubelte: „Ein Papagei macht Weltgeschichte!“